am 09.05.2007, 03:45:22 Uhr
In den Jahren als er süchtig war verspielte Öczan Gürkale (Name geändert, 45) mehrere hunderttausend Euro an Automaten, beim Kartenspiel und im Roulette. Glückssträhnen und Pechsträhnen - viele Spieler balancieren auf diesem Seil. Zwischen 220.000 und 400.000 leiden bundesweit an der pathologischen Spielsucht, in Baden-Württemberg sollen es laut Expertenangaben rund 50.000 sein.Doch die Jagd nach dem Glück führt allzu oft in die Sackgasse.
Auch für die Glücksspielsucht gilt, um Befriedigung zu bekommen, braucht es immer mehr. Wenn das Belohnungszentrum im Gehirn chronisch stimuliert wird, damit es Glückshormone wie Dopamin ausschüttet, die uns in Hochstimmung bringen, setzt jedoch eine Art Gewöhnungseffekt ein. Gewinnphase, Verlustphase, Verzweiflungsphase, so schildern Experten den Verlauf einer Spielerkarriere.
Gürkale steigerte sich stets in größenwahnsinnige Fantasien über den Riesengewinn hinein. "Wenn ich verlor, bildete ich mir immer wieder ein, ich könnte es wettmachen." Dass Gürkale sich nicht komplett verschuldete, verdanke er seiner Frau, die mit ihrem Gehalt den Lebensunterhalt bestritt, und dem Umstand, dass er in einem Dorf in der Region Stuttgart wohnt, wo jeder jeden kennt. Nachdem er seine Dispokredite maßlos überzogen hatte, immer wieder höhere Beträge vom Konto abgingen, schaltete die Bank seine Frau ein, wenn er Geld abholen wollte. "So konnte ich mich nicht um Kopf und Kragen spielen", erklärte Gürkale. Andere Glücksspielsüchtige verlieren oft alles - Häuser, Lebensversicherungen, Familie und ihren Ruf.
Die evangelische Gesellschaft Stuttgart, die nach eigenen Angaben als einzige Institution in Baden-Württemberg eine eigenständige Glücksspielsucht-Beratung anbietet, erreicht nur eine geringe Zahl der pathologischen Spieler. Nur 140 Spieler waren es im Jahr 2006. Günther Zeltner von der Evangelischen Gesellschaft sagte, dies liegt an einem Informationsdefizit. "Spielsucht wird nur am Rande als Thema behandelt."
Öczan Gürkale ist seit drei Jahren spielfrei, da ihn seine Frau vor die Wahl gestellt hatte das Spiel oder ich und ihm die Telefonnummer der Beratungsstelle in die Hand drückte, für die er sich heute in einer Spielergruppe engagiert. Nicht einmal ein Rubbel- Los fasst er mehr an, Denn er glaubt nicht mehr an das Glücksspiel - nur an seine zweite Chance.